Der Diesel-Skandal ist das Ende der Volksparteien

12. Oktober 2018  Allgemein

Im Wortlaut von Gregor Gysi, t-online, 10. Oktober 2018

Kolumne von Gregor Gysi

Weil die Groko nichts gegen die Machenschaften der Autoindustrie tut, müssen die Bürger nun selbst für saubere Luft sorgen. Das wird sich für die Regierung rächen.

Die Parteien der großen Koalition verspielen im Diesel-Skandal ihre Glaubwürdigkeit. Betroffene müssen angesichts der Good-Will-Politik gegenüber betrügerischen Autokonzernen die Hoffnung verlieren, dass Rechtsstaat und Politik ihnen beistehen. Das ist zwar nun angesichts dramatisch sinkender Umfragewerte sogar bei SPD und Union angekommen. Doch im Zweifel haben sie immer nur die Interessen der Autolobby im Sinn.

Das sieht man am halbherzigen Einlenken: Die Kanzlerin, der hessische Ministerpräsident und die SPD-Umweltministerin verschärfen zwar den Ton gegenüber der Autoindustrie – einen Ausweg aus dem Dilemma, in das die Autofahrerinnen und Autofahrer geritten wurden, zeigen sie aber nicht. Im Gegenteil: Schulterzuckend wird erklärt, dass man keine juristische Handhabe habe, die Autokonzerne zu einer Hardwarenachrüstung zu zwingen.

Da rächt sich auf fatale Weise das politische Handeln der Großkoalitionäre – oder richtiger: ihr Nicht-Handeln.

Arglistige Täuschung der Autofahrer

Denn Deutschlands Verbraucherschutz beruht – anders als etwa der US-amerikanische – im Kern darauf, dass Produkte eine mehr oder weniger aufwändige Genehmigungsprozedur durchlaufen müssen, bevor sie auf den Markt kommen. Das setzt aber entsprechendes staatliches Handeln voraus. Das Kraftfahrtbundesamt hat zum Teil sehenden Auges Diesel-Fahrzeuge zugelassen, die die Abgasnormen nur im idealen Labortest erreichen, im Alltagsbetrieb aber weit darüber liegen. Das kommt schon einer arglistigen Täuschung der Autokäuferinnen und -käufer gleich – umso mehr, da seitens der Autokonzerne auch noch Schummelsoftware zum Einsatz kommt.

Bei  den Angaben zu den Abgaswerten wurde im Kleingedruckten zwar auf die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen für die Tests hingewiesen – nirgendwo wurde aber ausdrücklich erwähnt, dass die Werte im Realbetrieb bei Autos mit Euro 6-Norm bis zum Sechsfachen über dem Grenzwert liegen. Wäre wohl kein gutes Verkaufsargument gewesen.

Im Ergebnis steht fest: Die Menschen, die mehrere zehntausend Euro für das Auto hinblätterten, wurden vom Staat im Stich gelassen.

Abendessen mit Auto-Boss wichtiger als Verbraucherschutz

In den USA läuft das anders: Warum werden dort immer verbraucherfreundliche Vergleiche von Anwälten mit den Konzernen geschlossen? Die Antwort: Es gibt umfassende Sammelklagen und den Strafschadenersatz. Wenn ein Schaden von einer Million festgestellt wird, kann das Gericht auch drei oder vier Millionen als Strafschadenersatz festlegen. Die Konzerne fürchten also noch höhere Zahlungen – und schließen deswegen vernünftige Vergleiche. Wer hindert uns, dieses Recht in Deutschland zu übernehmen?

Wie bei den Großbanken kann derzeit bei den Autokonzernen von einem Primat der Politik nicht die Rede sein. Die deutsche Politik tut vor allem auf EU-Ebene bis heute alles, damit schärfere Abgasnormen und Prüfverfahren keine Chance haben. Das Abendessen mit dem Daimler-Chef oder das Foto vor der blitzenden Karosse beim Messerundgang war wichtiger als eine wirkliche Industriepolitik mit Verbraucherschutz. Frühere Politiker wechseln gern in die Konzernzentralen und an die Verbandsspitze, Autokonzerne und –verbände spenden große Summen an bestimmte Parteien. Die sattsam bekannte gute Vernetzung von Union, SPD, FDP bis hin zu den baden-württembergischen Grünen mit der Autoindustrie hat deren Lobbyismus Tür und Tor geöffnet.

Der Effekt: Die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger – auch die der Autofahrerinnen und Autofahrer – wird nur dann geschützt, wenn die Politik von Gerichten dazu gezwungen wird.

Denn die von der EU vorgeschriebenen Grenzwerte der Luftreinheit werden regelmäßig nur dann durchgesetzt, wenn Klagen von Verbänden und Betroffenen Erfolg haben. Es ist also ein Staatsversagen, wenn Luftgrenzwerte tagaus, tagein überschritten werden.

Was für ein Rechtsstaatsempfinden, was für eine politische Verantwortung kommt zum Ausdruck, wenn erst Gerichte angerufen werden müssen, damit gesetzliche Vorgaben ernst genommen werden?

Regierung müsste von Konzernen Strafe verlangen

Das Berliner Urteil hat die ganze Fadenscheinigkeit des Diesel-Kompromisses der Großen Koalition vor Augen geführt. Fahrverbote werden gerade nicht vermieden. Wenn die Bundesregierung dieses Ziel ernst nähme, müsste sie kompromisslos dafür sorgen, dass die Fahrzeuge die Grenzwerte einhalten. Wenn sie ihren Wählerauftrag ernst nähme. Das kann nur durch eine umfassende Hardwarenachrüstung erfolgen –  weder eine Verschrottung Millionen fahrtüchtiger Pkw noch deren Export im alten Zustand ist ökologisch akzeptabel.

Die Bundesregierung müsste von den Autokonzernen für jedes Auto mit Betrugssoftware eine Sanktionszahlung von 5.000 Euro verlangen. Wenn sie ihren Wählerauftrag ernst nähme. Das müsste sie so lange fordern, wie die Konzerne nicht bereit sind, die Kosten der Nachrüstung zu übernehmen. Die insgesamt 15 Milliarden Euro sollten bei Jahresgewinnen von acht bis neun Milliarden Euro pro Konzern wohl zu schultern sein – zumal kurz- und mittelfristig die EU-CO2-Vorgaben für die Autoproduktion nicht anders zu erreichen sein werden.  

Wenn die Rechnung für Nachrüstkosten, Wertverlust, Aufwendungen für einen Neukauf oder am Ende doch Fahrverboten aber weiterhin einzig und allein den Diesel-Fahrerinnen und –Fahrern präsentiert wird, müsste sie bei den kommenden Wahlen auf Heller und Pfennig an die Parteien der großen Koalition weitergereicht werden. Da die SPD beim Abschmelzen ihres Wählerpotentials dessen Kern schon sehr nahe gekommen ist, droht dies am stärksten die Partei der Kanzlerin und deren bayerische Schwester zu treffen.

Mit dem Diesel-Gate geht die Zeit der Volksparteien alten Typs zu Ende.

t-online, 10. Oktober 2018

Bundesweite Demonstration am Samstag, 13.10.2018 in Berlin

11. Oktober 2018  Allgemein, Meldungen

#unteilbar – Für Solidarität statt Ausgrenzung

In Zeiten, in denen Menschen kriminialisiert werden, weil sie andere Menschen vor dem Ertrinken retten, muss man demonstrieren gehen: Für Solidarität statt Ausgrenzung. Für eine offene und freie Gesellschaft.

13. Oktober 2018 um 12 Uhr, Berlin-Alexanderplatz

Anreise
Es gibt aus einigen Städten Busse, Zugtreffpunkte und Mitfahrgelegenheiten. Informationen findet ihr hier:

https://www.unteilbar.org/demonstration/anreise/

Hinein in den LINKE-Block!
DIE LINKE wird einen eigenen Lautsprecherwagen mit Programm haben. Wir wollen mit einem großen, sicht- und hörbaren Block auf der Demo präsent sein. Reiht euch deshalb hinter unserem großen Fronttransparent ein. Bringt eure Fahnen und Schilder mit. Wir treffen uns auf der Alexanderstr., zu erkennen an dem großen LINKE-Luftballon. Weitere Infos unter https://www.facebook.com/events/248264719365352/

Landesweite Demonstration am 13. Oktober in Karlsruhe, 14 Uhr, Bahnhofsvorplatz, Karlsruhe

11. Oktober 2018  Allgemein, Meldungen

DIE LINKE Baden-Württemberg ruft auf zur landesweiten Demonstration „Gegen nationalistische und rassistische Hetze!“

in Karlsruhe am Samstag, 13.10.2018, um 14 Uhr ab Bahnhofsvorplatz.
Einer der Redner*innen wird unser MdB Michel Brandt sein. Die Demonstration wird organisiert vom Antirassistisches Netzwerk Baden-Württemberg
und von vielen Organisationen und Gruppen unterstützt. Bringt eure Fahnen und Transparente mit, damit wir als DIE LINKE als Block sichtbar sind.

 

 

1. Mai: Gemeinsam für höhere Löhne und mehr Freizeit

26. April 2018  Meldungen

Die Wirtschaft boomt. Jahr für Jahr brüstet sich die Bundesregierung mit Wirtschaftswachstum und Erfolgsmeldungen vom Arbeitsmarkt. Doch viele Menschen haben davon nichts: Hunderttausende Langzeitarbeitslose bekommen trotzdem keinen Job und werden von Rechtsauslegern von CDU und CSU auch noch verhöhnt. Und auch wer Arbeit hat, muss sich häufig mit niedrigen Löhnen und Dauerstress auseinandersetzen: Im letzten Jahr wurden über 1,5 Milliarden Überstunden geleistet, ein Großteil davon unbezahlt. Die Hälfte der Beschäftigten bekommt heute weniger Geld als vor 15 Jahren, während die Profite vieler Konzerne in der Zeit drastisch gestiegen sind.

Die kleinste Große Koalition aller Zeiten hat sich zerrissen, lustlos und kraftlos auf die Regierungsbank geschleppt und ihr Totalversagen schon im Koalitionsvertrag festgeschrieben: Sie geht nicht entschieden gegen Niedriglöhne, Tarifflucht, Befristungen und Leiharbeit vor. Und auch bei der Arbeitszeit geht es in die völlig falsche Richtung: Die Groko will längere Tagesarbeitszeiten ermöglichen.

Es muss endlich Schluss damit sein, dass sich die Superreichen und Konzerne die Taschen auf Kosten der Menschen voll machen, die hart arbeiten und viel zu wenig davon haben. Ob im Blaumann oder im Krankenhauskittel, ob mit Wischmopp oder Laptop – nur gemeinsam können wir etwas erreichen und verändern. Wir brauchen die Solidarität der Vielen gegen die Bereicherung der Wenigen“.

DIE LINKE will deshalb die Arbeitswelt umkrempeln: Normal muss sein, was den Menschen dient, nicht was dem Profit der Unternehmen nutzt. DIE LINKE macht am 1. Mai an der Seite der Beschäftigten und der Gewerkschaften Druck für gute Arbeit und gute Löhne und für ein Neues Normalarbeitsverhältnis.

Der Kreisverband der LINKEN. Calw wird am 1. Mai 2018 in Sindelfingen und in Stuttgart an Demo zum 1.Mail teilnehmen.

Dazu möchten wir sie recht herzlich einladen.

DIE LINKE fordert im Rahmen ihrer Offensive für ein Neues Normalarbeitsverhältnis:

  • Löhne rauf, Tarifverträge für alle! Tarifverträge müssen allgemeinverbindlich für alle Beschäftigten einer Branche gelten.
  • Tarifflucht und Lohndumping durch Auslagerungen, Werkverträge und Leiharbeit müssen verboten werden.
  • Mindestlohn von 12 Euro – darunter bedeutet Altersarmut.
  • Sichere und sozial abgesicherte Arbeit für alle statt Befristungen, Leiharbeit und Minijobs!
  • Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit! Frauen müssen endlich genauso viel erhalten wie Männer und die Diskriminierung in der Arbeitswelt beendet werden
  • Gerechte Verteilung der Arbeit! Aktuell sind über drei Millionen Menschen erwerbslos, während andere Berge von Überstunden auftürmen.
  • Mehr Personal statt Überstunden. Die Regierung muss dringend in mehr Personal in Pflege, Kitas und Schulen investieren.
  • Selbstbestimmtere Arbeitszeiten zwischen 28 und 35 Stunden für alle – mit Löhnen, die für ein gutes Leben reichen. DIE LINKE kämpft für Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich. Minijobs müssen durch sozial abgesicherte Teilzeitarbeit mit mindestens 20 Stunden pro Woche ersetzt werden.

»Fünkchen Hoffnung auf Resozialdemokratisierung«

23. April 2018  Meldungen

Nachricht von Dietmar Bartsch, Sahra Wagenknecht, 23. April 2018

Andrea Nahles ist die erste Frau an der Parteispitze in der mehr als 150-jährigen Geschichte der SPD. Ein Sonderparteitag wählte sie am Sonntag in Wiesbaden. Die Delegierten verpassten Nahles mit einem Ergebnis von 66,3 Prozent aber einen deutlichen Dämpfer. Ihre Gegenkandidatin, Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange, schnitt mit 27,6 Prozent stärker ab als erwartet.

„Die Widerstände gegen Nahles in der SPD zeigen, dass es viele in der SPD gibt, die sich mit der Politik des Weiter-so nicht abfinden wollen. Nahles ist und bleibt sogar in der eigenen Partei unpopulär. Offenbar verbinden selbst viele SPD-Delegierte mit Nahles keinen Neuanfang und keine dringend notwendige soziale Wende“, kommentiert Sahra Wagenknecht die Wahl.

Nahles wird das Steuer „nicht herumreißen können, solange sich die SPD an Merkel und Seehofer kettet“, betont Dietmar Bartsch. Allerdings verbänden mit ihrem Ursprung aus der sozialdemokratischen Parteilinken und ihrem Bekenntnis zu Mitte-Links „nicht wenige innerhalb und außerhalb der SPD ein kleines Fünkchen Hoffnung auf die Resozialdemokratisierung der SPD“, sagte Bartsch der Nachrichtenagentur dpa.

Bartsch warnt: „Die Unionsschwestern werden mittelbar nicht nur verbal, sondern sehr konkret politisch einen Ausbruch aus der Mitte nach rechts unternehmen. Schon jetzt treibt eine panische CSU, die im Oktober einen massiven Einbruch in Bayern befürchten muss, das letzte Merkel-Kabinett scharf gen Steuerbord.“ Um so mehr sei es unabdingbar, „dass wir das bundespolitische Mitte-Links-Lager als Option für den Tag X nicht aufgeben. Darin besteht die Verantwortung der neuen SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles“, so Bartsch.