Viel Lärm um wenig – der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD zu Europa

10. Februar 2018  Meldungen, Positionen

Im Wortlaut von Gregor Gysi, 09. Februar 2018

Von Gregor Gysi, Vorsitzender der Europäischen LINKEN und Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Im Kapitel „Ein neuer Aufbruch für Europa“ finden sich einige gut und fortschrittlich klingende Worte und Überschriften – wer könnte sich schon gegen ein „Europa der Demokratie und Solidarität“  verwehren oder sei nicht für ein „Europa der Chancen und der Gerechtigkeit“. Aber was steckt hinter den Formulierungen?

Schaut man genauer hin, wachsen die Zweifel, dass diese Koalition wirklich einen neuen Aufbruch für Europa will. In der Flüchtlingspolitik steht neben einem allgemein gehaltenen Satz zur Bekämpfung der Fluchtursachen auch das Bekenntnis, „die gemeinsamen Außengrenzen der EU wirksamer“ zu schützen und faire Mobilität zu fördern, „jedoch missbräuchliche Zuwanderung in die Systeme der sozialen Sicherheit“ zu unterbinden. Es ist also kein Ende der EU-Abschottungspolitik angedacht, es könnte sogar die Freizügigkeit von EU-Bürgern auf dem Spiel stehen. Zudem ist der Wunsch enthalten, „die Zusammenarbeit bei der Sicherheits- und Verteidigungspolitik (PESCO) stärken und mit Leben füllen“ zu wollen, was im Zusammenhang mit der dort vereinbarten Verpflichtung zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben eine weitere Militarisierung Europas bedeutet – Europa und die Welt brauchen Abrüstung, nicht das Gegenteil davon.

Nebulöse Formulierungen

Neben dem Bekenntnis, „fiskalische Kontrolle […] vorantreiben“ zu wollen, sollen auch „spezifische Haushaltsmittel  […] für die Unterstützung von Strukturreformen in der Eurozone“ bereitgestellt werden. Das klingt eher nach einer Drohung, denn die bisherigen Strukturreformen haben in Südeuropa zu Massenarbeitslosigkeit und sozialem Niedergang geführt. Eine deutliche Abkehr von der neoliberalen Austeritätspolitik sähe anders aus. Im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist von einem nebulösen „Rahmen für Mindestlohnregelungen […] in den EU-Staaten“ und von „Mindeststeuersätzen bei den Unternehmenssteuern“ die Rede. Letzteres geht zwar in die richtige Richtung, aber weder zur rechtlichen Verbindlichkeit noch über die Höhe von solchen Mindeststandards sind klare Aussagen enthalten. Also wird weiter die europäische Wirtschaft keinesfalls stärker und wirksamer reguliert.

Bezüglich der Frage der allgemeinen Lohnentwicklung in Europa liest man im Koalitionsvertrag nichts. Da Deutschland seit Jahren deutlich mehr in andere Länder exportiert als es importiert, gibt es einen großen Überschuss der sogenannten Handelsbilanz. Um diesen Überschuss abzubauen wäre es notwendig, dass auch in Deutschland Löhne und Renten deutlich stärker steigen, als dies in den letzten Jahren der Fall war, zumindest um Produktivitätsfortschritt und Inflation auszugleichen. Die Diskussion solcher ungleicher und unsolidarischer Lohnentwicklungen in Europa fehlt völlig, obwohl sie eine der wesentlichen Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Divergenzen in Europa ist.

Von einem „sozialen Europa“ ist nicht viel übrig

Ohne eine radikale Umkehr in der europäischen Wirtschaftspolitik bleibt von den positiven Ansätzen nicht viel übrig.  Und da sollte man sich keine Illusionen machen: Der Text wurde von SPD, CDU und CSU bewusst so „weich“ verhandelt, so dass sich auch bayrische Abschottungs- und Austeritätsfans darin wiederfinden können. Folgerichtig hat Martin Schulz auch direkt Widerspruch aus den Unionsparteien geerntet, als er behauptete, es fände sich ein „Ende des Spardiktates“ im Sondierungspapier. Die Formulierung dort wurde fast wörtlich in den Koalitionsvertrag übernommen.  Es kommt aber auf den konkreten Regelungsgehalt eines politischen Dokumentes an, und nicht auf das, was man wohlmeinend hineininterpretieren könnte – und da ist bei genauerer Betrachtung nicht mehr viel übrig vom „sozialen Europa“, das die SPD angeblich anstrebt. Die GroKo wird in diesem Bereich jedenfalls nicht die notwendigen Fortschritte oder gar den nötigen „Aufbruch“ bringen.

So kann die Zukunft Europas nicht gestaltet werden.

Koalition ohne Zukunft: Faule Kompromisse statt Politik für die Mehrheit

10. Februar 2018  Meldungen, Positionen

Pressemitteilung von Dietmar Bartsch, Sahra Wagenknecht, 07. Februar 2018

Zum Abschluss der Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD erklären die Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch:

„In Anlehnung an Kurt Tucholsky könnte man sagen, dass es ein Irrtum ist, dass die Regierung Probleme löst. Stattdessen werden die großen Probleme von einer gelangweilten Koalition liegen gelassen.

Der Koalitionsvertrag stellt die Weichen auf Weiter-So. Wachsende soziale Ungleichheit, Ausbreitung von Alters- und Kinderarmut, Verschärfung des Wohnungs- und Pflegenotstands werden die Folge sein. Unsichere Beschäftigung und Niedriglöhne werden weiter das Leben von Millionen Menschen prägen, die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen geht ungebremst weiter. Dieser Vertrag wird die soziale Spaltung zwischen Armen und Reichen, zwischen West und Ost weiter vertiefen.

Höhere Steuern für Superreiche und Konzerne wird es nicht geben. Damit fehlt das Geld, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, die Versorgung von Kranken und Hilfsbedürftigen zu verbessern, um die öffentliche Verwaltung sowie das Bildungs- und Verkehrswesen auf Vordermann zu bringen. Eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen gibt es ebenso wenig. Die halbherzigen Reformen bei der Rente, der Pflege und im Gesundheitswesen reichen nicht, um massenhafte Altersarmut und eine Verschärfung des Pflegenotstands zu verhindern. Die Politik der sozialen Spaltung wird auch auf dem Arbeitsmarkt fortgesetzt: Es geht weiter so mit unsicheren und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen, mit Leiharbeit, sachgrundlosen Befristungen und einem erpresserischen Hartz IV-Regime.

Die schwarz-rote Koalition hat sich auf faule Kompromisse geeinigt. Zum Beispiel soll das schon vor Jahren versprochene Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit für alle nun kommen – doch nur für Firmen ab 45 Beschäftigten, wobei der Rechtsanspruch nur einem von 15 Mitarbeitern gewährt werden muss. Da hat die IG Metall mit ihrem aktuellen Arbeitskampf weitaus mehr für Beschäftigte und ihre Familien erreicht, als die schwarz-rote Koalition in den nächsten vier Jahren.

Statt das baufällige Haus von Grund auf zu sanieren, bekommt die Fassade lediglich einen neuen Anstrich. Es ist zwar begrüßenswert, dass Schwarz-Rot die Kinderrechte endlich in der Verfassung verankern will. Das jedoch läuft ins Leere, wenn die materielle Situation von Familien nicht verbessert und die millionenfache Kinderarmut weiterhin nicht bekämpft wird. Und wie vertragen sich Kinderrechte in der Verfassung mit der verlängerten Aussetzung des Familiennachzugs? Es nützt auch nichts, in schönen Worten die europäische Integration zu beschwören, wenn gleichzeitig die unsoziale Politik, die Europa spaltet, ungerührt fortgesetzt wird.

Die SPD möchte sich gern dafür feiern lassen, dass die von ihr selbst mit abgeschaffte paritätische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung nun wieder eingeführt wird. Aber zaghafte Korrekturen an den Auswüchsen einer ungerechten Politik reichen nicht. Nötig wäre die Einführung einer Bürgerversicherung, zu deren Finanzierung alle mit all ihren Einkünften einen fairen Beitrag leisten. Allein dies könnte die Etablierung einer Zwei-Klassen-Medizin verhindern. Nötig wäre außerdem eine deutlich höhere gesetzliche Rente, die wirksam vor Altersarmut schützt.

Auch bei dem für immer mehr Menschen existenziellen Thema Wohnen und Mieten versagt die schwarz-rote Koalition in spe. Der Wille, dem rasanten Mietpreisanstieg wirklich etwas entgegensetzen zu wollen, ist nicht erkennbar. Das geplante Baukindergeld droht sich als Subvention für die Immobilienbranche zu entpuppen. Auch der Anstieg der Immobilienpreise ist eine zu befürchtende Wirkung. Eine Wende hin zu einer friedlichen Außenpolitik ist nicht erkennbar. Weder wurde ein kompletter Rüstungsexportstopp vereinbart, noch gibt es Ausstiegsszenarien für Kampfeinsätze der Bundeswehr. Die gemeinsam bei der NATO vereinbarten massiven Steigerungen des Rüstungshaushalts werden beibehalten. Die dringend notwendige Wiederherstellung des Sozialstaats ist so nicht machbar.

Die Nicht-Lösung vorhandener Probleme durch Schwarz-Rot war zwar zu erwarten. Das macht es jedoch nicht weniger dramatisch.

Mit diesem Koalitionsvertrag schaufelt sich die SPD ihr eigenes Grab. Ob das Begräbnis demnächst stattfindet, werden die Mitglieder der SPD entscheiden. Es bleibt zu hoffen, dass sie den Mut haben werden, in der Opposition einen Neuanfang zu wagen – statt sich an der Seite der Union zu Tode zu regieren.“

GroKo-Verhandlungen

21. Januar 2018  Meldungen, Positionen

Mit dieser Entscheidung der SPD in Koalitionsverhandlungen mit der CDU und CSU zu gehen hat die SPD endgültig ihre Glaubwürdigkeit verloren. So kann die SPD niemals das Land gerecht gestalten. Es ist mutlos, unglaubwürdig und beschämend. Wir wollen keinen Untergang der deutschen Sozialdemokratie. Es ist traurig, wie sich diese sogenannten Sozialdemokraten verhalten. Die SPD muss ein soziales und friedliches Gegengewicht zur CDU sein und eine gerechte Alternative anbieten. Doch wie wir sehen versagt sie.
Mit den 43%, die gegen GroKo-Verhandlungen stimmten sehen wir noch ein wenig Vernunft in der SPD.

Die Linkspartei ist die stolze und glaubwürdige Alternative. Wir wollen ein gerechteres und sozialeres Land und sind offen für neue Mitstreiter für diese Politik. Wir heißen enttäuschte Sozialdemokraten, Linke und politisch interessierte Bürger herzlich willkommen mit uns für bessere Zustände zu kämpfen und diese zu ermöglichen. Denn wir sind eine Mitmachpartei und freuen uns über jeden, der mithilft und sich engagiert. Dieser Tag hat gezeigt, dass wir die einzige Partei sind, die das Land ernsthaft gerechter, sozialer und friedlicher machen will.

Unternehmensspenden an Parteien verbieten

04. Januar 2013  Meldungen

„Die Parteien nehmen immer weniger Großspenden von Unternehmen an. Das ist eine gute Nachricht, denn Unternehmensspenden an Parteien laufen unabhängiger Politik im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zuwider.

Jeder weiß aufgrund seiner Lebenserfahrung: Ohne Leistung keine Gegenleistung. Wenn Unternehmen an Parteien spenden, entsteht immer der Eindruck, dass Politik einfach gekauft wird. Parteien, die zum Beispiel eine besonders konzernfreundliche Politik betreiben, erhalten auch die üppigsten Spendenschecks von Großunternehmen und Lobbyistenverbänden. Ganzen Beitrag lesen »

Stress lass nach – Für gute Arbeit, soziale Rechte und Mitbestimmung

20. Dezember 2012  Positionen, Video